Du fragst dich, Maria Montessori mit Entwicklungsarbeit gemein hat? Über das Stricken helfen sich Frauen selbst, denn wer tuts sonst?
Inhaltsverzeichnis
Entwicklungsarbeit in Peru à la Montessori
So mancher wird den häufig zitierten Satz von Maria Montessori „Hilf mir, es selbst zu tun!“ kennen. Sechs Wörter, in denen so viel Bedeutung verborgen liegt. Entstanden ist daraus ein pädagogisches Bildungskonzept, das auf Beobachtung und Experimentierfreudigkeit setzt.
Die Montessoripädagogik, wie sie in Kindergarten und Schulen immer mehr an Beliebtheit gewinnt, richtet sich in erster Linie an Kinder und junge Erwachsene. Ich möchte diesen Satz heute aufgreifen, um zu erläutern, was ich unter einer gelungenen „Entwicklungsarbeit“ verstehe. Unsere peruanischen Strickerinnen machen es vor: sie stricken für ihre und die Zukunft ihrer Kinder.
Autonomie braucht mehr als Ökonomie
Mama Lourdes strickt ➽ Kuscheltier Pferde für Chill n Feel
Entwicklungsarbeit in Peru hat für mich nur nachrangig mit Spendengeldern zu tun. Finanzielle Unterstützung ist gut und wichtig, doch bezweifle ich, dass Geld allein langfristig zur Verbesserung der Lebensbedingungen armer Familien beiträgt.
Um der Armut den Rücken zu kehren und den eigenen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen braucht es vor allem eines: Bildung. Bildung umfasst dabei viel mehr als nur theoretisches Wissen. Bildung meint all das, was letztlich dafür sorgt, für den Markt attraktiv zu werden; sei es durch die Produktion eigener Produkte, die Bereitstellung von Dienstleistungen oder aber die Qualifikation für Arbeitsstellen, die die Familienkasse dauerhaft aufbessern.
Kinder lernen dies in der Schule. Projekte, NGOs und Organisationen, die hier ansetzen, die Schulen aufbauen, Lehrpersonal ausbilden und den Eltern bei der Finanzierung des Schulbesuchs unterstützen leisten hier Großartiges. Doch was ist mit den Eltern selbst? Was, wenn ihnen als Kind nicht die Möglichkeit einer guten Schulbildung geboten wurde? Was, wenn sie sich nun aus finanziellen und zeitlichen Gründen keine entsprechende Aus- und/oder Weiterbildung leisten können?
Entwicklungarbeit in Peru: hier setzt die NGO Manuela Ramos an.
Der Ursprung von Chill n Feel Kuscheltieren
Wir hatten Chill n Feel (damals noch Mama Ocllo) gerade erst gegründet, als wir im Jahr 2012 auf der Ethical Fashion Show Paris wunderschöne, von Hand gestrickte Kuscheltiere aus Peru entdecken. Wir sprachen lange mit Alicia, die die NGO Manuela Ramos auf der Messe vertrat. Zu den Kuscheltieren erzählte sie uns, dass diese auf über 4000m Höhe, tief in den peruanischen Anden gestrickt würden. Die Strickerinnen bekämen regelmäßig Aufträge über die in Lima ansässige NGO. Dafür würden sie eigens geschult.
Die Schulungen würden aber weit über die Handwerkskunst des Strickens hinausgehen. Vielmehr sei es ein großes Anliegen der Organisation, die Frauen in ihren persönlichen und politischen Rechten zu stärken. Die Preise für die Kuscheltiere würden dann die Frauen selbst verhandeln, schließlich sei dies ein erster großer Schritt in Richtung Selbstbehauptung und Autonomie.
Uns gefiel diese Form der Entwicklungsarbeit in Peru unglaublich gut. Wenige Monate später trafen Fingerpuppen und erste Kuscheltiere in unserem Lager ein. Seit fast 8 Jahren beschäftigen wir über die Produktion von Kuschel-Oktopussen, Einhörnern und Affen Mütter rund um Puno, einer der ärmsten Regionen Perus (diese ➽ Bio Kuscheltiere schaffen Autonomie).
Und dass gut geschulte, fair gestrickte Kuscheltiere zudem qualitativ erstklassig sind, das wissen unsere Kunden, die immer und wieder bei uns bestellen, schon lange.
Diese ➽ Fair Trade Kuscheltiere leisten Entwicklungsarbeit in Peru
Hilfe zur Selbsthilfe als Weg aus der Armut
Unsere Kuscheltiere werden von Frauen aus sozial schwachen Regionen rund um den Titicaca-See gestrickt. Meist sind es Mütter von zwei oder mehreren Kinder. Von ihren Müttern haben sie das Stricken, das Kochen, das Pflanzen, Ernten und das Hüten von Tieren gelernt. Es sind intelligente, fleißige Frauen, die früh aufstehen, Haus und Familie versorgen und sobald sie eine freie Minute haben, stricken, um ihre Produkte auf dem lokalen Markt darzubieten.
Irgendwie kommen sie immer über die Runden. Die Männer arbeiten, sind sich für keine Arbeit zu fein. Sie bringen den Großteil des Familieneinkommens nachhause. Doch das ist meist zu wenig, um den Bedürfnissen aller Familienmitglieder gerecht zu werden. Ein Teil davon fließt – wie dies leider häufig der Fall ist – in Alkohol, den Rest bekommt die Frau.
Die Frau trägt ihren bescheidenen Teil durch ihre erwirtschafteten Einkünfte bei. Hätte sie eine gute Ausbildung genossen, würde auch sie ein festes Einkommen beisteuern und könnte damit die Lücke schließen, die notwendig wäre für eine anständige Schulbildung ihrer Kinder.
Frauen managen in den peruanischen Anden den Haushalt. Sie verwalten das Geld und sie sind es, die dafür Sorge tragen, dass die Kinder für die Schule gerüstet sind.
Die Nichtregierungsorganisation Manuela Ramos hatte es sich daher zur Aufgabe gemacht, diese Frauen zu unterstützen; nicht mit Spendengeldern, dafür aber mit Bildung und zwar Bildung, die wiederum dazu beiträgt, eigene Wege aus der Armut zu finden.
Nicht-monetäre Entwicklungshilfe in Peru´s Anden
Die jahrelangen Schulungen durch die NGO lehrten die Frauen:
- Qualitätsprodukte zu entwickeln
- einen angemessenen Preis für ihre Strickwaren zu verlangen und
- ihre Produkte selbstbewusst auf dem lokalen Markt zu präsentieren.
Viele Frauen treten nun viel selbstsicherer auf den Markt. Sie wissen, was sie leisten und dass sie nicht weniger Wert sind als andere Menschen. Dazu sei erwähnt, dass Rassismus ein großes Thema ist in Peru. Es sind mitunter die Criollos (die Nachfahren der spanischen Eroberer), die das „Quechua-sprechende Bauernvolk“ in den Anden ihr Überlegenheitsgefühl oftmals deutlich spüren lassen.
Aber auch auf politischer Ebene viel Entwicklungsarbeit in Peru geleistet werden; für die Frauen in den Anden und in vielen anderen sozial schwachen Regionen des Landes.
Entwicklungsarbeit in Peru: 5 Jahre später
Etwa 5 Jahre werden unsere Bestellungen und Produktentwicklungen über ein Projekt der NGO Manuela Ramos koordiniert, das sich einzig auf die Kommerzialisierung der Kuscheltiere und Strickwaren konzentrierte. Dann plötzlich brachen sämtliche Fonds weg, die die Existenz dieses wundervolles Projekts sicherstellten. Leider hatten auch wir von Europa aus keinen Erfolg auf der Suche nach neuen Geldern.
Es fiel als der Rückhalt der NGO bis zu einem gewissen Punkt weg; glücklicherweise nicht Alicia, die Frau, die wir im Jahr 2012 in Peru kennengelernt hatten. Als Alleinunternehmerin sorgt sie nun dafür, dass die Frauen auch weiterhin regelmäßig Strickarbeiten erhalten. Und ohne Alicia würde es Affe Gonzalo, Pferd Stormy und Jaguar Renzo wohl nicht mehr geben.
Was hältst du von diesem Ansatz der Entwicklungsarbeit in Peru?
„Mama strickt Einhörner für meine Zukunft!“
„Mama strickt Einhörner für meine Zukunft!“, bewusst wird das diesem kleinen Mädchen, das so vertrauensvoll in die Kamera blickt, wohl noch nicht sein, doch früher oder später wird es hoffentlich an jene Zeiten zurückdenken, zu denen der kostbarste Begleiter ihrer Mama die Stricknadel war.
Sie wird sich erinnern an die niedlichen Einhörner, die Mama aus kuschelig weicher Biobaumwolle strickte und die so sehr zum Träumen einluden. Und wer weiß, vielleicht wird es in ein paar Jahren sogar Einhorn Luna zu verdanken sein, dass der Traum von einer besseren Zukunft in greifbare Nähe gerückt ist.
Ist das nicht ein zauberhaftes Bild, aus dem so viel Hoffnung spricht?
COVID-19 Nothilfe Peru … aber nicht in den Bergen
Du fragst du, wie es unseren peruanischen Strickerinnen mit der Coronakrise gehen mag? Die Menschen in den Anden sind größtenteils Selbstversorger. Sie besitzen über ein kleines Stück Land, haben häufig Meerschweinchen und Alpakas und gehören starken Dorfgemeinschaften an.
Alicia ist regelmäßig mit den Menschen in Perus Bergen in Kontakt und sie gibt uns das gute Gefühl, dass die Grundbedürfnisse „unserer“ Familien gesichert sind; solange der Virus dort nicht zu wüten beginnt, denn die medizinische Versorgung ist mangelhaft.
Viel härter trifft die Krise die Stricker und Strickerinnen unserer Strickpuppen. Denn diese leben in den Slums rund um Lima. Dort, wo man auf die Straße geht, um über den Verkauf von Süßigkeiten Geld zu erbetteln. Dort, wo man nur überlebt, wenn man das Haus verlassen darf, um arbeiten zu gehen. In den Slums leben die Ärmsten der Armen. Es sind Menschen, die in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Lima gingen, dort aber keinen Platz fanden, und in einer Blechhütte in der Wüstenlandschaft rund um die Hauptstadt hängenblieben.
Wir können sie aktuell nicht mit Arbeit versorgen, weil keine Materiallieferungen möglich ist. Bis mindestens 30. Juni wird sich an diesem Umstand nicht ändern, denn es hängen schwere Quarantäne-Verordnungen über Peru.
Und nun kommt es doch wieder zum Einsatz: Geld! Ja, in diesem Fall schicken wir Geld. Von dem Geld, das wir über den Verkauf von niedlichen Faultier-Magneten verkaufen, versorgt ein peruanischer Pfarrer mit einem riesigen Hilfstrupp Familien in den Slums mit Essen. Tag für Tag, seit Beginn der Krise Mitte März 2020.
Kaufe Magneten, spende Essen ➽ Peru Nothilfe