Abstillen, ja oder nein? Und wann genau ist eigentlich der richtige Zeitpunkt dafür? Stillberaterin Biggi Welter bekommt diese Fragen häufig gestellt. Was sie dazu meint, erfahrt ihr im Beitrag.
Stillen bzw. Abstillen | Wer weiß Rat? Wer hilft weiter?
Jede stillende Mutter kennt sie, die schwierigste aller Fragen: Wann stille ich am besten ab? Steht der wage Zeitpunkt dann endlich fest, drängt sich sogleich die nächste Frage auf: Wie stille ich ab? Zahlreiche Bücher haben sich dem Thema Stillen angeommen, Familienangehörige und Freunde halten eigene Erfahrungswerte und Ratschläge parat und selbst der Hausarzt meint zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt für das Abstillen gekommen sei.
Aber Achtung! Vergesst bei all den gut gemeinten Tipps und Tricks niemals, dass jede Mama einzigartig ist, genauso wie das Baby, das sie zur Welt gebracht hat und das sie über ihre Muttermilch ernährt. Kein, aber auch wirklich kein Ratgeber, unabhängig davon auf wieviel Erfahrungswerten er basiert, kann hier ein Patentrezept aussprechen. Viel zu oft vergessen wir, dass wir Individuen sind und damit Bedürfnisse haben, die nur wir spüren oder erahnen können. Wie wir als Personen, als Menschen, ist die Stillbeziehung, die wir zu unserem Baby aufgebaut haben, einzigartig.
Stillen ist etwas Wundervolles, es stärkt die Bindung zwischen Mama und Baby, es versorgt das Baby mit all dem, was es neben Liebe und Geborgenheit braucht und selbst für die Mutter – so zahlreiche Untersuchungen – hat das Stillen positive Auswirkungen auf die Gesundheitspräventation.
Und doch ist es nicht immer ganz so einfach mit dem Stillen bzw. mit dem Abstillen. Die ersten Wochen nach der Geburt bringen häufig blutende Brustwarzen mit sich, Brustentzündungen sind vielen jungen Müttern ein Begriff und oftmals dauert es schlichtweg eine Weile, bis sich die Muttermilchmenge dem Bedarf des Babys gemäß eingependelt hat. Sind die anfänglichen Hürden gemeistert, wird das Stillen zum Freudenakt. Die junge Mutter freut sich, wenn sie sieht, dass sie in der Lage ist, ihr Baby zu versorgen und das Baby fängt vergnügt an zu glucksen, wenn die lauwarme, süßlich schmeckende Milch in greifbare Nähe rückt.
Dieses harmonische Zusammenspiel währt nur leider nicht ewig. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, dass Mama und/oder Baby einen Bruch erleben, nämlich dann, wenn es ans Abstillen geht. Für das Abstillen gibt es so viele Gründe. Es kann schlichtweg eine Notwendigkeit sein (Arbeit, Klinikaufenthalt, wiederholte Brustentzündungen usw.) oder aber die Nächte werden durch zu kurze Stillabstände zu einer dauerhaften Belastung für Mutter und Kind, oder aber eine erneute Schwangerschaft lässt das Stillen zum Kraftakt werden oder oder oder. Gründe dafür gibt es zur Genüge. Und da diese genauso individuell sind, wie auch die stillende Mutter und das Stillbaby möchte ich es hierbei belassen.
Nach diesem etwas langen Prolog komme ich zum eigentlichen Thema dieses Blogbeitrags. Wo und wie bekomme ich Hilfe, und zwar Hilfe, die mich und mein Baby als Individuen betrachtet anstatt mir allgemeingültige Ratschläge zu erteilen?
La Leche Liga (La Leche League) und das Portal rund-ums-baby.de helfen weiter. Wie erzähle ich euch im Folgenden.
La Leche Liga
Bei La Leche Liga Deutschland e.V. handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der sich ausschließlich dem Thema Stillen widmet. Vereinsmitglieder sind ausgebildete Stillberaterinnen, die ehrenamtlich Fragen rund um das Stillen beantworten. Telefonisch oder per Email reagieren sie zeitnah auf Fragen und begleiten stillende Mütter auf ihrem Weg durch die Stillzeit.
Bereits im Jahr 1956 wurde La Leche League in den USA gegründet, bevor in den siebziger Jahren La Leche Liga in Deutschland Fuß fasste. Die Vision der Mütter, die einst den Grundstein der gemeinnützigen Organisation legten, war es, Mütter vor einem ungewollten Abstillen zu bewahren. Vielleicht habt ihr schon einmal mit euren Eltern oder Großeltern über das Stillen in eurem Babyalter gesprochen. Bei uns galt damals (80er Jahre): Stillen bis max. zum 6. Lebensmonat, Stillabstände von 3-4 Stunden seien dringend einzuhalten … Wer sich heute mit bindungsorientierter Elternschaft beschäftigt, weiß, dass hier ein großer Wandel stattgefunden hat. Die Stillempfehlung der WHO (Stillen während der ersten beiden Lebensjahre) hat wieder an Bedeutung gewonnen und es gilt der Leitsatz eines Stillens nach Bedarf nicht nach Wecker. Und dies sind nur zwei Aspekte, die die Stillpraxis vieler junger Mütter prägen.
La Leche Liga unterstützt Mütter in ihrem Wunsch zu Stillen und befürwortet ein vorzeitiges Abstillen nur dann, wenn es zwingende Umstände notwendig machen bzw. die Mutter es aus nachvollziehbaren Gründen wünscht.
Unterhalb dieses Beitrags findet ihr die Kontaktdaten der La Leche Liga.
Rund-ums-Baby.de
Neben La Leche Liga empfehle ich euch – solltet ihr es nicht bereits kennen – das Expertenportal rund-ums-baby.de. Auch hier wird ehrenamtlich gearbeitet. Neben Stillberaterinnen findet ihr auf dem Informationsportal Experten rund um die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft/Geburt und Elternfragen; darunter Ärzte, Hebammen, Pädagogen und eine große Bandbreite von Fachkräften aus allen relevanten Bereichen.
Über informative, gut recherchierte Blogbeiträge könnt ihr euch vorab über diverse Themen informieren. Und bei konkreten Fragen kontaktiert ihr den Experten/die Expertin eurer Wahl direkt über das Forum. Auch hier werdet ihr zeitnah eine kompetente Antwort auf eure Zweifel bekommen.
Ich persönlich stelle selten Fragen in Foren, aber ich lese gerne die Fragen anderer Mütter mit ähnlichen Anliegen und sehe mir hierzu die Expertenmeinungen an. Erst kürzlich recherchierte ich ein wenig, weil mich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt fürs Abstillen beschäftigte. Dabei stieß ich auf eine Antwort von Stillberaterin Biggi Welter, die mich so bewegte, dass ich sie postum kontaktierte.
Während eines sehr sympathischen Telefonats lernte ich die dreifache Mutter und wundervolle Stillberaterin kennen. Ich fragte sie, ob ich ihren Kommentar im Forum zitieren dürfen, um ihn mit euch zu teilen und dies werde ich nun tun.
LLL Stillberaterin Biggi Welter | „Mit Liebe kann man Kinder nicht zu sehr verwöhnen“
Biggi Welter ist seit sehr vielen Jahren ehrenamtliche Stillberaterin bei La Leche Liga (LLL) und beantwortet über rund-ums-baby.de Fragen als Stillexpertin.
Als Biggi, deren drei Kinder mittlerweile bereits ihre eigenen Wege gehen, vor vielen Jahren selbst stillte und bei einem ihrer Kinder unter dem Druck der Klinikärzte kurz vor dem Abstillen stand, kontaktierte sie erstmals La Leche Liga. Die junge Mutter wollte Stillen und sie blieb standhaft – was damals durchaus argwöhnisch beäugt worden waren. Nachdem sie am eigenen Leib erfuhr, was es für eine Mutter bedeutet, wenn das äußere Umfeld gegen das eigene Still-Bedürfnis arbeitet, ließ sich Biggi Welter selbst zur Stillberaterin ausbilden und steht seither mit Herzblut Müttern, die stillen wollen oder Fragen zum Stillen haben, zur Seite.
Ist es nicht wundervoll, dass es Menschen gibt, die in unserer kapitalistischen, auf Effizienz ausgerichteten Welt, noch etwas ehrenamtlich tun? Ich bewundere Brigitte Welter dafür.
Fallbeispiel „Abstillen“ | Was ein Menschen- und ein Elefantenbaby gemein haben
Ihr kennt sie, die unruhigen Nächten, in denen ihr gefühlt alle 1-2 Stunden eurer Baby stillend in den Schlaf begleitet? Von meinem ersten Sohn Miguel kenne ich das und nun bei dem kleinen Bruder Lisandro ist es kaum anders. Da gibt es Nächte, die sind so entspannt. Ich werde 1-2 Mal geweckt und morgens fühle ich mich ausgeruht und gewappnet für einen langen Tag mit zwei Rabauken. Und dann wieder diese Nächte, in denen ich kaum in den Schlaf finde. Häufen sich diese durchwachsenen Nächte, neigt sich der Energievorrat dem Ende zu und spätestens an Tag 3 überlege ich, was ich tun kann, um diesen Zustand zu verändern. Abstillen? Intuitiv weiß ich, dass der Zeitpunkt kommen wird, noch nicht jetzt, aber in absehbarer Zukunft. Und doch, in meiner Erschöpfung suche ich nach Bestätigung, bei befreundeten Mütter, im Internet.
Auf einer meiner Recherchen bin ich über das Bild eines Elefantenbabys gestolpert, das Stillberaterin Biggi Welter verwendet, um das Bedürfnis eines Neugeborenen zu veranschaulichen.
Eine dreifache Mutter sucht in ihrer Verzweiflung über rund-ums-baby.de Rat bei der erfahrenen Stillberaterin, denn ihr Säugling findet nachts kaum in den Schlaf und verlangt permanent nach der Brust. Im langsamen Abstillen sieht die Ratsuchende die einzige Lösung.
In aller Ausführlichkeit erklärt Biggi Welter was es mit dem häufigen Thema „Schlaflosigkeit bei Babys“ auf sich habe. Abstillen bringe solange keine Lösung, bis das Baby nicht von selbst die Reife erreicht habe, für einen längeren Zeitraum in den Schlaf zu finden. Und dies sei vollkommen unabhängig vom Stillen und individuell verschieden von Baby zu Baby.
Über einen kleinen Abstecher in die Vergangenheit erklärt sie, dass es in vielen Kulturen seit Jahrtausenden normal sei, Babys in den Schlaf zu stillen. Biggi Welter geht sogar soweit zu behaupten, dass es von der Natur aus gar nicht erst vorgesehen sei, dass ein Baby alleine schläft, geschweige denn alleine in den Schlaf findet:
„Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche“ Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode“ ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser „Norm“ anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass diese Eltern sich als Versager fühlen sollten.“ (Quelle: rund-ums-baby.de: sanftes Abstillen)
Und dann führt Biggi den schönen Vergleich mit einem Elefantenbaby auf. Demnach hätte ein Elefantenbaby innerhalb der ersten beiden Jahre keine Überlebenschance, wenn es die Verbindung zu seinem Hauptbezugspunkt (z.B. der Mutter) verliere. Vielleicht mitunter ein Grund, weshalb die WHO empfiehlt, ein Baby während der ersten beiden Lebensjahre zu stillen. Denn eines stehe fest, ein Menschenbaby wird unreifer geboren als ein Elefantenbaby – so Biggi Welter – wie also sollte die Loslösung von der Menschen-Mama schneller vonstatten gehen?
„Hast du gewusst dass ein junger Elefant eingeht, wenn er in den ersten 2 Lebensjahren nicht die PERMANENTE Anwesenheit seines Hauptbezugs“tieres“ hat (kann auch ein Mensch sein…). Wenn ein Elefantenbaby zum Waisenkind wird bekommt es im Zoo selbstverständlich einen Pfleger zur Seite gestellt, der Tag und Nacht Hautkontakt bietet. Kein Mensch würde die Notwendigkeit dafür in Frage stellen. Nur mit unseren eigenen Babys, die viel unreifer geboren werden, erwarten wir so viel mehr. Das ist ein Punkt, der viele Diskussionen auslöst und bei Mutter und Kind zu vielen Tränen führen kann: Das Kind soll „wach“ ins Bett gelegt werden und alleine einschlafen können (was eine enorme neurologische Leistung darstellt). Wenn es aber nur an der Brust oder im Körperkontakt mit der Mutter einschlafen kann, dann verurteilen wir dies als schlechte oder gar schädliche Angewohnheit… Aber das ist es gar nicht! Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es „verwächst“ sich wirklich von alleine!!“ (Quelle: rund-ums-baby.de: sanftes Abstillen)
Überzeugende Argumente die gegen ein verfrühtes Abstillen sprechen, findet ihr nicht?
Lasst euch von Außenstehenden niemals verunsichern , denn letztlich ist es die mütterliche Intuition sowie die unsichtbare Kommunikation mit dem eigenen Baby, was den richtigen Zeitpunkt zum Abstillen zeigt; nichts sonst!
Connect with Stillberaterin Brigitte Welter
Email: brigitte.welter[at]lalecheliga.de
Telefon: 08232-78812
Stillberatung über rund-ums-baby.de
Liebe Frau Welter. Ihr Wissen und Ihre Fähigkeit sind mir ein riesen Geschenk. Ich lese immer wieder Beiträge und bin enorm froh darüber denn in meinem umkreis bin ich die einzige welche Stillen nach Bedarf und das kleinkind (mein sohn 13Monate) immer noch viel stille.
Gerade die Fakten betreffend nächtliches stillen helfen mir. Wir haben seit anbeginn ein Kindchen welches alle 2h trinken will und nun endlich durch den Tag und Beikost alle 3-4h zufrieden ist. Nachts je nach Entwicklung alle 1.5- 2.5h trinkt und manchmal nuckelt. Enorm anstrengend. Ich habe nun begonnen wenn möglich ihn zuerst in den schlaf zu begleiten ohne Brust, funktioniert momentan ab und zu. Ich bleibe hoffnungsvoll und danke allerherzlichst für ihr Engagement!!! Alles liebe und Gute für sie Frau Welter LG Marie-Louise aus der Schweiz