Sabine Kroh, Hebamme und Gründerin von call a midwife, hat einen sehr spannenden Gastbeitrag zum Thema Schwangerschaft und Alkohol geschrieben. Ist ein Glas Wein bereits zu viel?
Ach früher . . . da war ein Glas Wein noch nichts Verwerfliches
Schauen wir nur ca 35 Jahre zurück in das Fotoalbum der Familien, dann fällt uns sicher zunächst nur die Einrichtung, Kleidung und die ulkigen Frisuren der Gäste auf. Schauen wir aber mit unseren heutigen Augen und unserem Wissen, dann sitzen da mittendrin schwangere Frauen und Mütter mit Kindern auf dem Schoß im Wohnzimmer umringt von rauchenden Gästen und mit einem Glas Wein in der Hand.
Es gab kein Bewusstsein für den Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft und über das Passivrauchen. Viele kennen sicher die Autofahrt, nicht angeschnallt und mit rauchenden Eltern im Auto.
Im 21. Jahrhundert angekommen
Die Zeit ist vergangen und unser Bewusstein und Wissen hat sich entwickelt bis hin zur Rücksichtnahme auf Mutter und Kind. Gut so, meint ihr nicht?
Denn Untersuchungen zeigen, dass rund 60 % der schwangeren Frauen in der Schwangerschaft Alkohol trinken. Offen bleibt hier, wann sie es tun und ob die Zeit des Nichtwissens schwanger zu sein, berücksichtigt wurde. Nur 6 % leben strikt abstinent. Aha …
Bei ca 670.000 Geburten kommen etwa 2600 Babys mit dem fetalen Alkoholsyndrom auf die Welt und etwa 2600 Babys mit Schädigungen als Folgen des Konsums von Alkohol. Das alles zeigt eine Untersuchung der Charite in Berlin.
Im täglichen Kontakt mit den Frauen und in Gesprächen über den Konsum vom Alkohol, höre ich aufgeklärte Frauen, die gut informiert sind und wissen was sie tun oder nicht tun sollten. Aber wo sind dann die 60%?
Ach komm schon, nur zum Anstoßen . . .
Und ist der Schluck Prosecco zum Anstoßen auf einem Geburtstag, der Hochzeit oder der Vernissage salonfähig?
Er sollte es nicht sein. Da die Mutter mit dem Kind über den plazentaren Blutkreislauf verbunden ist, wird angenommen und diese Annahme ist sicher logisch, dass der Blutalkoholwert der Mutter dem des Kindes identisch ist.
Ist ein 500 gr Baby mit 0,2 Promille salonfähig?
Ist die schwangere Frau hysterisch, die beim Anstoßen bemerkt, dass sie Prosecco trinkt und zum Bad läuft, um diesen auszuspucken oder hat sie den plazentaren Blutkreislauf verstanden und verhält sich richtig?
Mittlerweile ist das Trinken von Alkohol in unserer Gesellschaft völlig normal und läuft man am frühen Abend die Party-Straßen von Berlin entlang oder setzt sich in die Partytram M10, dann hat jeder zweite eine Flasche Bier in der Hand. Das nur nebenbei.
Tee statt Alkohol in der Schwangerschaft?
Wird es somit den Frauen schwer gemacht abstinent zu sein, oder bietet die „Vegane-Chia-Achai-Paleo-Macha-Smoothie-Gesellschaft“ nicht auch Möglichkeiten, schmackhafte Getränke ohne Alkohol zu sich zu nehmen?
Das bietet sie sehr wohl und auch die Hersteller von Bier und Wein trenden mit neuen alkoholfreien Getränken. Zugegeben schmeckt nur das Bier, das zudem Vitamine und Mineralien enthält. So ganz alkoholfrei ist es dann aber doch nicht, trotz des Etikettenaufdrucks „alkoholfrei“. Bei Bieren unter 0,5 Volumenprozent duldet der Gesetzgeber nämlich die Aufschrift „alkoholfrei“.
Fazit
Die Experten zu diesem Thema sind sich nicht so recht einig, ab wann es zu Schädigungen beim Baby kommen kann. Da man mit Schwangeren keine Studien dazu machen kann und wenn wir den Mutter-Plazenta-Kind-Kreislauf bemühen wollen, dann bleibt nur ein Fazit: 0,00 Promille!
Sabine Kroh arbeitet seit 1989 als Hebamme, ist selbst Mutter und gründete vor gut einem Jahr mit call a midwife eine Plattform, über die Frauen aus aller Welt der Zugang zu einer ganz persönlichen Hebammen-Betreuung ermöglicht werden soll, in der jeweiligen Landessprache und abgestimmt auf den entsprechenden Kulturkreis.