Konfessionslos und ein Brief ans Christkind, passt das zusammen? Warum eigentlich nicht? Miguels erster Brief ans Christkind wartet darauf abgeholt zu werden.
Das Christkind | Tradition oder Religion?
Mag sein, dass ihr schmunzeln müsst, wenn ihr diese Zeile lest, doch es ist tatsächlich so, dass man, sobald man mit anderen Kulturen und Sprachen in Kontakt kommt anfängt, das eine oder andere in Frage zu stellen. Ich bin in Bayern aufgewachsen, einem überwiegend katholischen Bundesland also. Wie so viele kleine Kinder betete ich vorm Zubettgehen, besuchte ich zu Festtagen die Kirche und war sogar zeitweise mit den Sternsängern unterwegs. Am 6.12. kam der Nikolaus zu Besuch und am 24.12. wartete ich ungeduldig auf das Christkind. Ich stellte mir einen Engel vor, mit einem glitzernden Kleid, der irgendwie in das Haus gelangte, um den Weihnachtsbaum zu schmücken und Geschenke darunter zu legen. Dass man beim Namen Christkind an etwas anderes als andiesen zauberhaften Engel denken könnte, kam mir überhaupt nicht in den Sinn.
Erst als ich meinen peruanischen Mann Gustavo kennenlernte und ihm von unseren Traditionen erzählte, er darauf erstaunt fragt „El Niño Jesús?“, stellte ich einen Verbindung zum Christuskind und damit zur Religion her. Irgendwie fühlte sich alles auf einmal so komisch an. Mein Engel, ein Christuskind, das zu Weihnachten in die Krippe zwischen Maria und Josef gelegt wird?! Wie passt das denn zusammen?
Rational wie wir Erwachsenen nun einmal denken entschloss ich, meinen Kindern eine andere Tradition mit auf den Weg zu geben. Es fühlte sich heuchlerisch an, Geschichten rund um ein Christkind zu erzählen, an das ich selbst nicht glaube. Nur vergaß ich dabei eines: bis dato hatte das Christkind für mich nicht ansatzweise mit dem kleinen Jesus zu tun gehabt. Religion oder Tradition? Ich begann beides zu verwechseln, weil ich aus der Perspektive einer erwachsenen Frau heraus entschied, die bei all ihrer Korrektheit nicht bedachte, dass Kinderaugen noch Dinge sehen können, die uns schon so lange verborgen sind.
Erinnerungen an eine zauberhafte Kindheit
Erst im Gespräch mit anderen Mamas begann ich nach und nach wieder einzutauchen in meine Erinnerungen an Weihnachten, wie ich es als kleines Mädchen erlebt hatte. Ich erinnerte mich an den Weihnachtstag, als meine Schwester und ich das Wohnzimmer stundenlang nicht betreten durften. Durch die milchige Glastür, die die Küche vom Wohnzimmer trennte, sagen wir nur Umrisse, ab und an magisch anmutenden Lichter und Geräusche, die uns in Spannung versetzten. Irgendwann dann ein Läuten, die Tür öffnete sich und vor uns stand ein wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum mit vielen bunten Geschenken darunter. Andächtig näherten wir uns dem Baum, wir sangen davor, lauschten Weihnachtsgeschichten und durften schließlich die Geschenke auspacken. Das Christkind hatte also unseren selbst gebastelten Wunschzettel erhalten und uns nicht vergessen.
Dieser Zauber, die Magie der Weihnacht, ist Teil von mir geworden, wird mich wohl ein Leben lang begleiten. Wäre es da nicht sehr schade, würden meine Kinder auf diese Erfahrungen verzichten müssen?
Der erste Brief an das Christkind
Heute habe ich Miguel zum ersten Mal vom Christkind erzählt. Bisher kannte mein 5-jähriger Sohn nur den Nikolaus und darauf freut er sich das ganze Jahr über: „Mama, wann kommt der Schnee? Dauert es noch lange, bis der Nikolaus kommt?“ Noch hatte er sich nicht die Frage gestellt, wer an Weihnachten die Geschenke bringt. „Vielleicht auch der Nikolaus?“ Jetzt weiß er, dass es neben dem Nikolaus noch etwas gibt, das Weihnachten seinen Charme verleiht. Ich erzählte ihm, wie ich mir immer das Christkind vorgestellt hatte, sagte ihm auch, dass jedes Kind seine ganz eigene Vorstellung davon hätte und dass es letztlich die Kinder sind, die das Christkind sehen können. Wir Erwachsenen hätten diese Fähigkeit leider verloren.
Und so kam es, dass Miguel seinen ersten Brief an das Christkind schrieb bzw. malte. Das Christkind, so meinte ich, würde sich über Post freuen und es würde Miguels Brief des Nachts, wenn alles schliefe, abholen. Auf den Brief könne er schreiben oder malen, was er dem Christkind gerne mitteilen wollte. Das Wort „Wunschzettel“ ließ ich bewusst beiseite, denn ich bin der Meinung, dass die Vorfreude auf das Christkind nicht unbedingt an einen Zettel voller Wünsche geknüpft werden sollte, zumindest nicht materielle Wünsche.
So kam es also, dass das Christkind Einzug bei uns erhielt. Und in Kürze wird es uns offiziell das erste Mal besuchen.
Feliz Navidad!