Die ersten 30 Tage im Wochenbett sind vorüber. Wundheilung, Milcheinschuss, Schlafentzug, Babyakne und erste Blähungen. In den ersten Tagen nach der Geburt passiert so unglaublich viel und die Zeit scheint einfach immer zu knapp bemessen.

Ankommen im eigenen Zuhause

Am 18.6. um 9:30 Uhr erreichte ich unter starken Wehen das Geburtshaus. Um kurz vor 10 Uhr hielt ich Lisandro in meinen Armen und gegen 15 Uhr wurden wir, Papa Gustavo, ich und unser Lisandro von Opa und dem großen Bruder Miguel abgeholt.

3-4 Stunden nach der Entbindung bleiben die jungen Eltern mit Baby für gewöhnlich im Geburtshaus. Wurde bei der Mutter ein positiver Streptokokkoen Befund festgestellt oder gibt es andere notwendige Gründe, um das Neugeborene über mehrere Stunden zu beobachten, so verlängert sich der Aufenthalt auf durchschnittlich 6 Stunden. Doch jeder Schwangeren, die sich für ein Geburtshaus entscheidet, sollte bewusst sein, dass es sich um eine ambulante Geburt handelt, die keinen mehrtägigen Aufenthalt vorsieht. Wer sich also eine 24 Stunden Betreuung durch Fachkräfte wünscht, ist bei einem Geburtshaus definitiv an der falschen Adresse.

Ich fand die Vorstellung einer ambulanten Geburt besonders schön, konnte ich mir schließlich nicht vorstellen, mehrere Tage in einer Klinik auszuharren ohne meinen Miguel, Lisandros großen Bruder. Unsere Familienzusammenführung sollte noch am Tag der Geburt und bestmöglich zuhause, im vertrauten Rahmen, geschehen.

Nachdem meine Geburtsverletzung versorgt worden war, wir ausgiebig Zeit zum kuscheln gehabt hatten, unsere Hebamme bei Lisandro die U1 durchgeführt hatte und mein Kreislauf sich stabilisiert hatte, griff Gustavo also zum Telefon und orderte unseren Abholservice.

Hallo, ich bin dein großer Bruder

Vom Einzelkind zum großen Bruder | Die ersten Wochen zu viertWenige Minuten später sahen wir unser Auto vorfahren. Miguel sprang ganz aufgeregt aus seinem Sitz und verlangte ungeduldig nach dem Maxi Cosi und der Babymütze, die wir trotz Checkliste für die Geburtstasche zuhause vergessen hatten. All seine Kräfte aufbringend, trug er mir den Babysitz entgegen. Auch Miguel kannte das Geburtshaus bereits und so bewegte er sich zielsicher auf den Raum zu, in der unsere Hebamme die letzten Formalitäten erledigte und Papa mit Lisandro in den Armen wartete.

Etwas verlegen drückte er sich an den Türrahmen und wusste zunächst nicht, wie er sich verhalten sollte. Ganz behutsam führten wir ihn an Lisandro heran. In seinem Eifer, den großen Bruder spielen zu wollen und Mama zur Hand zu gehen, setzte er Lisandro sein Mützchen auf und half ihn im Maxi Cosi anzuschnallen. Das erste Eis war gebrochen. Da war er also nun, der kleine Bruder, von dem Miguel in letzter Zeit täglich gesprochen hatte.

Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn es ist wohl die größte Sorge einer jeden Mama, dass das Kleine erst einmal von dem großen Geschwisterkind zurückgewiesen wird. Wir, anders als befürchtet, wurden ganz herzlich von Miguel empfangen und dafür bin ich bis heute sehr dankbar.

Ein Geschenk für dich, großer Bruder!

In der Geburtsvorbereitung erhielt ich den guten Tipp, ein Geschenk für Miguel zu kaufen, das er letztlich von Lisandro nach seiner Ankunft bekommen würde. Diese Geste würde meist sehr positiv von den großen Geschwisterkindern aufgenommen, da auf diese Weise erst einmal etwas Schönes von dem neuen Familienmitglied kommt, bevor es anfängt, nach und nach vom eigenen Kleiderschrank zu leben und mit den eigenen Spielsachen zu spielen.

Da es für Miguel aktuell nichts Wichtigeres als Autos und ähnliche Vehikel auf Rädern gibt, haben wir uns für ein Auto mit Fernsteuerung entschieden, das er schon seit Wochen bei den Nachbarskindern bewundert hatte. Die Freude war groß und so verschwand Miguel erst mal mit Auto und Papa im Hof, während Opa, Oma und Uroma den kleinen Lisandro willkommen heißen konnten.

Miguel, hilfst du mir bitte!

Miguel ist mit seinen fast 4 Jahren in einem Alter, in dem er am liebsten alles selbst machen möchte: „Ich kann das schon“, „Ich weiß das doch“. Und es ist besonders wichtig, ihn diesbezüglich ernst zu nehmen.

Also war für uns von Anfang an klar, dass wir ihn in alles einbinden würden, was eben möglich ist für ihn. Baby darf auf seinem Schoß liegen und an seinem Finger nuckeln (das liebt Lisandro übrigens), Miguel bringt die Windeln und hilft beim Baden. Und er weiß selbst am besten, wo seine Grenzen liegen. „Willst du auch die Kacka-Windel von Lisandro wechseln“, fragte ich ihn zunächst. Und er war überzeugt davon, dass er dies gerne machen würde. Also ließen wir es darauf ankommen. Miguel bringt die Windel, reicht mir den Waschlappen und ich öffne die volle Windel. Bis dahin verlief alles nach Miguels Plan. Als er dann aber die volle Ladung entdeckte, war er plötzlich nicht mehr gesehen. Jaja! Aber er hatte die Chance helfen zu dürfen und dies allein genügte ihm.

Zeit zum Auto spielen?

Der Faktor Zeit ist wohl das Wichtigste in der ersten Kennenlernphase, ob mit oder ohne Geschwisterkind. Kleine Ewigkeiten sitzt man nur da, das Baby in den Armen. Man kann und möchte den Blick nicht abwenden, man versucht zu begreifen, wie dieses Wunder geschehen ist, man saugt seinen Duft auf und streichelt immer wieder über den kleinen Körper. Die ersten Tage und Wochen sind magisch und die Zeit verliert vollends an Bedeutung.

Doch ist es nicht nur ein Staunen und ein liebevoller Blick auf das Baby. Auch das große Geschwisterkind erscheint plötzlich in einem ganz neuen Licht. Als ich Miguel und Lisandro zum ersten Mal gemeinsam im Bett liegen sah, wurde mir erstmals bewusst, wie groß Miguel schon geworden ist. Was ist bloß aus meinem Baby von damals geworden? Ein wahrlich großer Bruder!

Und dieser große Bruder möchte ebenfalls gesehen werden, vielleicht sogar noch mehr als zuvor. Die Rolle des großen Geschwisterkindes ist sicherlich reizvoll, bis zu einem gewissen Punkt. Nur darf niemals vergessen werden, dass es selbst noch klein ist und die Aufmerksamkeit von Mama und Papa braucht.

Aus genau diesem Grund haben wir bereits vor Lisandros Geburt alles dahingehend organisiert, dass es Miguel an nichts fehlen würde. Opa hatte 2 Wochen Urlaub beantragt und Oma entführte Miguel auf den Campingplatz. Wenn viele dazu raten, dem Kind zu zeigen, wie langweilig es doch zuhause sei, mit Baby und ohne Kindergarten, damit sie schnell von selbst wieder motiviert seien, in den Kindergarten zu gehen, haben wir genau den anderen Weg versucht.

Miguel hatte jeden Tag etwas Spannendes zu tun und bereits 3 Tage nach Geburt freute er sich auf den Kindergarten. Seither genießt er es, dass Papa ihn jeden Morgen mit dem Fahrrad zum Kindergarten bringt und er mal von Papa, dann von Opa, Oma oder auch von Mama abgeholt wird. Vielleicht bewegen wir uns aktuell noch in einer Blase, die spätestens dann platzt, wenn Papa ab Ende August seine Elternzeit beendet und wir unseren eigenen Rhythmus finden müssen. Doch bis dahin haben wir noch Zeit: zum Auto spielen, plantschen im Garten, campen am See…

Zeit für Miguel nehme übrigens auch ich mir. Wenn Lisandro schläft, bauen wir Türme, spielen Autos oder ich lese ihm seine Gute-Nacht-Geschichte vor. Ob wir auf diese Weise größere Eifersuchtsszenen langfristig vermeiden können, steht noch nicht fest, aber wir geben unser Bestes.

Was habt ihr für eine entspannte Familienzusammenführung getan? Vielleicht habt ihr ja noch den einen oder anderen Tipp für uns!

 

 

Ein Kommentar

  • Melanie sagt:

    Liebe Martina,

    das mit dem Geschenk hatten wir auch 😉 Sina hat Lukas damals eine Polizeiuniform „mitgebracht“ – wir lachen heute noch drüber, wenn ihm das jetzt einfällt, dass das so ganz eigentlich nicht stimmen konnte 😉 LG Melanie

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