Der Regenwald fasziniert durch seine Vielfalt an Flora und Fauna und ist zugleich Wohnraum für zahlreiche indigene Völker. Eine für viele Europäer mysteriöse unrealistische Welt, die an Geschichten aus Kiplings Dschungelbuch erinnern lässt. Da mag es den einen oder anderen überraschen zu hören, dass Teile des peruanischen Regenwaldes seit gut 150 Jahren von österreichischen und bayerischen Auswanderern besiedelt sind.

Mythos Regenwald

„Grüne Hölle“, „Paradies“, Geschichte über „Amazonen“, „Kannibalen“. . . Viele Mythen kreisen um den Regenwald, Mythen die auf die Zeit der ersten Seefahrer zurückgehen, die das heutige Zentral- und Südamerika Ende des 15. Jahrhunderts erreichten. Die „Neue Welt“ erschien den sog. europäischen Entdeckern teils befremdlich, teils vertraut. Geprägt von Sagen und Berichten aus der griechischen Mythologie glaubte man vieles in der Landschaft und den Bewohnern Amerikas wiederzuerkennen. Sprachliche Missverständnisse ließen zudem Wörter wie „Kannibale“ entstehen und die passenden Assoziationen waren schnell gefunden. Schon bald entstanden detaillierte Reiseberichte über wilde Dschungelbewohner, Menschenopfer und unvorstellbar große Schätze, die diese „Neue Welt“ zu einem Anziehungspunkt für Abenteurer, Naturforscher,  Missionare und jene Männer werden ließ, die es in der eigenen Heimat zu nichts brachten und sich eine bessere Zukunft auf dem fernen Kontinent erhofften.

Längst überholt sind die Vorstellungen einer unheimlichen unbekannten Welt. Heute weiß man so viel, möglicherweise zu viel, über jene Region, die nicht zur faszinierend ist sondern für den Planeten und seine Bewohner eine unverzichtbare Lebensgrundlage darstellt. Und doch gibt es Geschichten, von denen man möglicherweise noch nicht gehört hat. Oder ist euch etwa Pozuzo ein Begriff?

Pozuzo | österreichisch-deutsche Kolonie im Hochlandregenwald

Im Jahr 2007 feierte Pozuzo sein 150-jähriges Jubiläum als österreichisch-deutsche Kolonie. Denn damals, im 19. Jahrhundert, ließen sich 170 Einwanderer im Hochlandregenwald Perus nieder. Angelockt von der peruanischen Regierung, die ihnen Wohlstand und Arbeit versprach, ergriff man in der Hoffnung, der Armut in der Heimat zu entgehen, die Chance und machte sich auf die lange Reise in eine unbekannte Welt. Das eigentliche Anliegen Perus, den Regenwald zu besiedeln, um davon ausgehend eine Eisenbahnlinie von der Pazifik- zur Atlantikküste zu bauen, stellte sich als leeres Versprechen heraus.

Zunächst einmal ohne Perspektiven entschied sich ein Teil der Einwanderer nach ihrer etwas 4-monatigen Anreise für die harte Arbeit in den peruanischen Minen.

Ca. 170 Abenteurer davon wählten einen anderen Weg. Sie machten sich auf die Suche nach einer Heimat. In Begleitung von Tragtieren brachen sie zunächst in Richtung Anden auf, in der Hoffnung jenen Ort zu finden, den man ihnen noch in Europa als neue Heimat angepriesen hatte. Beschwerliche Wochen standen den europäischen Neuankömmlingen bevor. Nicht enden wollende Fußmärsche und „Soroche“, eine Höhenkrankheit ausgelöst durch den Sauerstoffmangel auf über 4000m Höhe, zwangen die Suchenden zu einem Abstieg in die Region Acobamba (ca. 3400m) von wo aus sie sich mit eigenen Kräften einen Weg durch das Dickicht des Hochlandregenwaldes bahnten. Denn von der versprochenen Stadt war weit und breit keine Spur.

Schließlich legten sie einen Landstrich frei, der als geeignet für die Errichtung einer kleinen Siedlung erschien. In aller Abgeschiedenheit und völliger Armut bauten die katholischen Abenteurer eine Stadt auf, die wir heute als Pozuzo kennen.

Der langsame Weg zur Integration

Den deutschsprachigen Pozuzinern gelang es eine Stadt zu errichten, die in der Architektur ihrer einstigen Heimat in nichts nachstand. Auch legte man in den ersten Jahren besonders großen Wert darauf, sich nicht mit den Einwohnern Perus zu vermischen, man lebte bewusst die eigenen Traditionen und die eigene Sprache weiter.

Daher darf es nicht verwundern, wenn man bei einem Besuch von Frau Maria Egg mit einem alten österreichischen Akzent angesprochen wird, der einen augenblicklich an ein Tiroler Bergdorf denken lässt. Maria dürfte mittlerweile in ihren 60er sein, führt erfolgreich eine weit angelegte Pension in Pozuzo, backt mit Freude Bananenstrudel (Äpfel gibt es in diesen Breitengraden nicht) und erinnert sich gerne an ihre erste Reise nach Österreich, die anlässlich des 150. Jahrestages im Jahr 2007 in Kooperation mit Tirol organisiert worden war. Ihr erster und bisher letzter Kontakt mit der einstigen Heimat ihrer Vorfahren. Sie berichtet von einer aufregenden Reise zu ihren Wurzeln, möchte Österreich jedoch auf keinen Fall gegen ihr lieb gewonnenes Pozuzo eintauschen.

Marias Generation ist der deutschen Sprache noch mächtig, sie hütet die Tradition ihrer Vorfahren und gleicht rein äußerlich jeder gewöhnlichen Tirolerin. Mit den jüngeren Generationen schwindet jedoch allmählich der europäische Einfluss, und dies obwohl auch hier die deutsche Sprache, Strudel, Volkstänze und Musik nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.

Unser Weg nach Pozuzo

Uns, Gustavo und mich, führte es im Jahr 2007 nach Pozuzo. Über die ebenfalls einst deutschsprachige Kolonie Oxapampa, erreichten wir mit einem klapprigen Bus nach einer etwa 4-stündigen Reise Pozuzo. Der nicht enden wollende Weg über holprige provisorisch errichtete Straßen gibt einem eine grobe Vorstellung davon, welchen Strapazen die Einwanderer einst ausgesetzt waren. Und damals gab es weder Busse noch Wege.

Und dann plötzlich tauchte Pozuzo vor uns auf. Holzhäuser und dazu deutsche Volksmusik, die aus den Lautsprechern der Busstation dröhnte. Neugierig begaben wir uns auf Entdeckungsreise. Zunächst Gepäck abstellen bei Maria Egg, dann gings auf zum Museum und Friedhof, immer auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit.

Viele Zeugnisse haben wir entdeckt, verschiedene alte Dialekte haben wir gehört, nur was wir leider nicht finden konnten, waren typisch deutsche Backwaren, dafür schmeckte uns der frisch zubereitete Bananenstrudel umso besser.

Ob wir Pozuzo als Reiseziel empfehlen können? Auf jeden Fall! Denn nicht nur der Besuch der kleinen Kolonie, sondern vielmehr die ganze Reise von der Küste Perus über die Anden bis hinein in den Hochlandregenwald ist einmalig. Der Wechsel an Landschaften und Klimazonen allein ist einen Abstecher wert, der mit Sicherheit unvergesslich bleiben wird.

Quelle: Spiegel Online REISE: „Pozuzo in Peru: Österreichs größtes Dschungel-Camp

 

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