Eltern gewöhnen ihre Babys an Windeln, um sie ihnen nach spätestens 3-4 Jahren wieder abzugewöhnen. Sinn oder Unsinn?

Ohne Windel, das geht doch nicht. Oder etwa doch?

Durchschnittlich werden Kinder mit 2,5 Jahren „trocken“. Zuvor also wird von den meisten Eltern zur altbekannten Windel gegriffen. In Deutschland alleine geht man dabei von gut 2 Millonen Windel-Nutzern pro Jahr aus; wobei waschbare Stoffwindeln hier kaum ins Gewicht fallen. Hochgerechnet macht das etwa 3,5 Milliarden Wegwerfwindeln pro Jahr nur in Deutschland. Zumindest ist so die grobe Schätzung (Quelle: Alltagsjournalismus).

Seit 1961 finden wir auf dem Markt Wegwerf- oder auch Einwegwindeln wie Pampers und Co. Eine Erleichterung für die Hausfrau, die zuvor in mühevoller Handarbeit Berge an Stoffwindeln zu waschen hatte.

Ob Stoff- oder Wegwerfwindeln, in unseren Breitengraden geht nichts ohne Windel, zumindest für den Großteil der Familien. Allein schon der Hygiene wegen wird die Windel jahrelang zum treuen Begleiter bei Tag und Nacht.

Nicht so in China: windelfrei dank Schlitzhosen

Noch heute nutzen in China ca. 94% der Bevölkerung sogenannte Schlitzhosen statt Windeln für ihre Babys. Die Eltern achten ganz bewusst auf Zeichen und Geräusche ihrer Babys, um den Zeitpunkt des Wasserlassens bzw. Stuhlgangs zu erkennen.

Diese intime Art der Kommunikation zwischen Baby, Eltern und Großeltern fasziniert auch junge Eltern in Europa, wo man mittlerweile von „windelfrei“, „Sauberbleiben“, „TopfFit“, „Infant Potty Technique“ oder auch „instinctive mothering“ spricht. Immer mehr Eltern versuchen die geheime Sprache ihrer Babys zu erlernen, um anhand von verschiedenen Lauten und Bewegungen die Bedürfnisse ihrer Kleinsten zu erkennen und dementsprechend zu handeln.

Die Kehrseite der Schlitzhosen-Variante

So schön es auch sein muss, die Grundbedürfnisse seines Babys auf Anhieb zu erkennen, im öffentlichen Leben gibt es nicht nur Befürworter. Warum?

Schenkt man dem Artikel China – Windelfreie Zone dank Kaidangku Glauben, sind chinesische Eltern zwar sehr geschickt im Erkennen der Bedürfnisse ihrer Babys, achten jedoch häufig nicht auf eine klare Trennung zwischen dem privaten und öffentlichen Bereich. Sprich, muss Baby seine Notdurft verrichten, so geschieht dies an dem Ort, an dem man sich gerade befindet. Dies kann der Bus, die Straßenampel o.Ä. sein.

Beweise dafür würden Fotos v.a. von verärgerten Bewohnern aus Hongkong liefern, die regelmäßig auf Facebook gepostet würden.

Was Baby hier von Anfang an nicht lernt, nämlich seine Bedürfnisse zu kontrollieren, würde sich letztlich bis ins Jugendalter oder gar länger fortsetzen und in einer Verschmutzung des öffentlichen Raumes enden. Windelfrei als ein gesellschaftliches Problem also?

Windelfrei in Europa – Bonding durch eine intime Kommunikation

Der andauernde Trend „zurück zur Natur“ lässt umweltbewusste und naturverbundene Eltern beim Wort „windelfrei“ hellhörig werden. Stoffwindeln, windelfrei, Baby-led-weaning, Bonding, alles Konzepte, die auf eine Sehnsucht nach dem Natürlichen und Ungezwungenen hindeuten.

Immer mehr Eltern entscheiden sich wieder dazu, ihren Mutterschutz bis zuletzt auszukosten, verzichten bewusst auf Krippenplätze und suchen nach „natürlichen“ Wegen der Kindererziehung, die die Beziehung von Mutter/Vater und Baby stärken.

Windelfrei ist eine der vielen Möglichkeiten, um möglichst früh Babys Sprache zu erlernen. Dabei bedeutet dies – zumindest hier in Deutschland – nicht, dass Baby vom ersten Tag an ohne Windel ist. Nein, windelfrei bedeutet zunächst einmal nur, dass die Eltern lernen, Signale ihrer Babys zu erkennen, bevor diese ihr Geschäft verrichten.

Windelfrei in der Praxis

Meine Hebamme hat mir von Eltern erzählt, die das Experiment „Windelfrei“ gleich nach Geburt ihres Babys gestartet haben und bisher gut damit zurechtkommen. Doch wie muss man sich dies im Alltag vorstellen?

Quitscht Baby bsp. auf eine ganz bestimmte Art, wissen die Eltern, dass es seine Notdurft verrichten muss. Schnell versuchen sie, ihrem Baby die Windel abzunehmen und es über ein Töpfchen zu halten oder unterwegs einen Stopp am Waldrand einzulegen.

„Windelfrei“ wird von jeder Familie ganz individuell gelebt. Da gibt es Eltern, die Windelfrei nur Zuhause trainieren, andere, die sich mit Baby ohne Windel in die Öffentlichkeit wagen, andere wiederum, die sich täglich ein paar Stunden auf die Entwicklung einer gemeinsamen Windelfrei-Sprache konzentrieren.

Wichtig zu wissen ist, dass Windelfrei nicht automatisch dazu führt, dass Baby früher trocken wird. Nein, es geht schlichtweg darum, Babys Code zu verstehen und darauf so bald wie möglich reagieren zu können.

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