Der Mutterpass: muss ich eigentlich verstehen, was da alles drin steht? Ja, solltest du, denn es geht um dich und dein Baby. Der Mutterpass einfach erklärt!
Der Mutterpass, ein Kopfschmerz für Erstgebärende
„Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger! Und dies ist Ihr Mutterpass.“ Endlich hältst du ihn in der Hand: den lang ersehnten Mutterpass. Erst fünf Wochen nach dem Ausbleiben deiner Regel hast du einen Termin bei deinem Frauenarzt bekommen. Zwei Schwangerschaftstests hast du zwischenzeitlich gemacht und nun endlich hast du Gewissheit. Du wirst Mama.
Stolz hältst du das kleine weiße Heftchen in den Händen, das dich nun durch die gesamte Schwangerschaft begleiten wird. Noch ist es einfach ein gutes Gefühl, Besitzerin eines Mutterpasses zu sein, doch bald schon wirst du dir den Kopf zerbrechen über Titer, Antikörper-Suchtests, HBs-Antigene, Chlamydia und kryptische Abkürzungen wie S+1, Rb-3, SL und o.B.
Hier findest du alles, was alles Wichtige zum Mutterpass einfach erklärt, in Kurzfassung und in Langfassung, für all jene, die noch tiefer in die Welt von HBs und Chamydia einsteigen wollen. Das Abenteuer Mutterpass beginnt mit einer klassischen Vorsorgeuntersuchung.
Die klassische Schwangerschaftsvorsorge
Du kannst selbst entscheiden, welche Untersuchungen gemacht werden.
Empfehlung: reguläre Vorsorgeuntersuchungen + 3 große Ultraschalluntersuchungen
Zusätzliche Untersuchungen gegen Eigenleistung
In Deutschland hast du einen gesetzlichen Anspruch auf 10 klassische Vorsorgeuntersuchungen, die allesamt von deiner Krankenkasse übernommen werden. Bis zur 32. Schwangerschaftswoche ist eine Untersuchung alle 4 Wochen vorgesehen. Ab SSW 33 darfst du deinen Frauenarzt bzw. deine Hebamme jede 2. Woche besuchen.
Ablauf einer Vorsorgeuntersuchung
- Gewichtskontrolle
- Messen des Blutdruck
- Urinprobe
- Ertasten der Gebärmutter
- Überprüfung der Herzaktivität deines Kindes
- Feststellen der Lage des Kindes
Der Mutterpass erfasst die Ergebnisse dieser 6 Untersuchungen im sogenannten Gravidogramm.
Das Gravidogramm
Das Gravidogramm ist zentraler Bestandteil deines Mutterpasses. Lass uns einmal schauen, was du darüber alles über dich und dein Baby erfahren kannst.
Über den Fundusstand kann deine Hebamme feststellen, in welcher SSW du dich befindest, denn er zeigt an, wie groß die Gebärmutter schon ist und ob sich dein Kind gut entwickelt. Dazu wird der Abstand zwischen dem Fundus (oberer Rand der Gebärmutter) und Fixpunkten wie dem Schambein (S), dem Rippenbogen (Rb) oder dem Nabel (N) gemessen; je nach Schwangerschaftsstadium. Gemessen wird der Fundusstand mit den Fingern.
Ein Beispiel
SSW 12: S/O (Fundus am Schambein)
SSW 20: N/3 (Fundus 3 Querfinger unter dem Rippenbogen)
SSW 32: Rb/3 (Fundus 3 Querfinger über dem Nabel)
Über die Kindslage erfährst du, wie dein Baby gerade im Bauch liegt:
- SL = Schädellage (Kopf liegt unten)
- BEL = Beckenendlage (Po liegt unten)
- QL = Querlage
Ab der 36. SSW liegt dein Baby im besten Fall mit dem Kopf nach unten (SL). Mit dem Kopf voraus lässt es sich am besten entbinden. Aber auch bei einer Beckenendlage zum Zeitpunkt der Geburt ist die Chance auf eine Spontangeburt gegeben. Vor allem Hebammen sind darin geschult, ein Baby mit dem Po voraus zur Welt zu begleiten. Anders bei einer Querlage deines Babys. In diesem Fall – sollten sämtliche Drehversuche scheitern – wird das Baby über einen Kaiserschnitt geholt.
Sobald Herztöne deines Babys zu hören sind, kommt ein + (Plus-Zeichen) in die Tabelle. Ebenso in der Tabelle Kindsbewegungen. Dein Frauenarzt wird dich fragen, ob du dein Kind bereits spürst und dies dementsprechend notieren. Die meisten Schwangeren spüren ihr Ungeborenes ab der 17. SSW.
Solltest du Ödeme (Wassereinlagerungen) haben oder mit Varikosis (Krampfadern) zu tun haben, wird dies auch mit einem Plus-Zeichen notiert.
In der Tabelle RR (Blutdruck nach Riva-Rocci: Namensgeber des Blutdruckmessgerätes) wird dein gemessener Blutdruck eingetragen. Systolischer Blutdruck meint den oberen Blutdruck, diastolischer Blutdruck den unteren Blutdruck.
Grenzwerte
- Niedriger Blutdruck: Werte gleich bzw. kleiner als 100/70
- Hoher Blutdruck: Werte ab und höher als 140/90
In der Frühschwangerschaft neigen viele Frauen zu einem erhöhten Blutdruck. Später dann, fällt der Blutdruck häufig eher in den niedrigen Bereich. Nur bei starken Abweichungen greift der Frauenarzt ein.
Der Hämaglobin-Wert zeigt an, ob die Menge der roten Blutkörperchen im Körper stimmt bzw. der Sauerstofftransport ausreichend gesichert ist. Fällt der gemessene Wert unter 12, liegt eine Blutarmut vor.
Unter Sediment werden die Befunde der Urinuntersuchung notiert. Ist ein Wert erhöht, wir dies in die entsprechende Tabelle unter Eiweiß, Zucker, Nitrit bzw. Blut mit einem Plus-Zeichen eingetragen. Sind alle Werte in Ordnung findest du das Zeichen eines durchgestrichenen Kreises Ø.
- Eiweiß: bei zu wenig Eiweiß kann eine Infektion vorliegen, bei zu viel Eiweiß kann dies Indiz für eine Schwangerschaftsvergiftung sein.
- Zucker: ein zu hoher Wert kann durch eine Schwangerschaftsdiabetes kommen
- Nitrit: Nitrit ist ein Abfallprodukt von Bakterien und kann auf eine Harnwegsinfektion hindeuten
- Blut: Blut im Urin kann ebenfalls Indiz für eine Harnwegsinfektion sein, oder aber auf eine Nierenerkrankung hinweisen
Bei der vaginalen Untersuchung wird Folgendes überprüft:
- Länge und Festigkeit des Gebärmutterhalses (Zervix erhalten/verkürzt, weich/fest)
- Verschluss des Muttermundes (MM geschlossen/erhalten)
- Säurewert der Scheide (Schutz vor Infektionen und/oder Frühgeburt)
- Infektionen in der Scheide
Ultraschall-Untersuchungen
Die Schwangerschaftsvorsorge sieht 3 Ultraschall-Untersuchungen vor. Der Mutterpass dokumentiert die Ergebnisse.
- 12. SSW: intakte Schwangerschaft
- 22. SSW: Entwicklung Kind
- 32. SSW: Abschlussuntersuchung Kind
Wirst du während deiner Schwangerschaft vom Frauenarzt und einer Hebamme betreut, empfiehlt es sich, die monatlichen Untersuchungen so zu legen, dass du immer dann, wenn eine Ultraschall-Untersuchung ansteht, bei deinem Frauenarzt bist. Denn dies sind die einzigen Untersuchungen, die eine Hebamme nicht durchführt.
Laboruntersuchungen und Rötelnschutz
Neben der klassischen Schwangerschaftsvorsorge, werden folgende Laboruntersuchungen durchgeführt.
Blutgruppenzugehörigkeit
Zu Beginn deiner Schwangerschaft wird deine Blutgruppenzugehörigkeit bestimmt. Wichtig ist dies, da es in manchen Fällen zu einer Blutgruppen- oder Rhesusunverträglichkeit kommen kann. Dies tritt genau dann ein, wenn die Blutgruppe oder der Rhesusfaktor von Mutter und Kind nicht kompatibel sind (mehr zur Blutgruppenzugehörigkeit)
Um zu überprüfen, ob eine Kompatibilität vorliegt, wird der Antikörper-Suchtest durchgeführt. Dieser Test wird in der 24.-27. SSW wiederholt, unabhängig davon, ob zu Beginn der Schwangerschaft Antikörper gefunden wurden oder nicht.
Röteln-Antikörpertest
Als nächstes wird ein Röteln-Antikörpertest durchgeführt, denn Röteln stellt eine große Gefahr für das Ungeborene dar (mehr zum Röteln-Antikörpertest).
Werden bei der ersten Untersuchung keine Antikörper gefunden, wird der Test zu einem späteren Zeitpunkt nochmals wiederholt um eine Röteln-Infektion während der Schwangerschaft auszuschließen.
Der Chlamydien-Test
Chlamydien sind Infektionskrankheiten, die in den meisten Fällen über den Geschlechtsverkehr übertragen werden. Wird eine Infektion festgestellt, muss eine Antibiotika-Behandlung durchgeführt würden (mehr zur Chlamydien-Infektion)
LSR-Test (Lues-Such-Reaktion)
Mit dem LSR-Test möchte man eine Infektion mit der Geschlechtskrankheit Syphilis ausschließen (mehr zum LSR-Test)
HBs-Antigen
Über eine Blutuntersuchung in der 32. Schwangerschaftswoche wird festgestellt, ob eine Hepatitis B Infektion vorliegt (mehr zum Hepatitis-Test)
Und nun noch einige Untersuchungen, die Schwangeren angeboten werden, jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.
HIV-Test
HIV (AIDS) kann während der Schwangerschaft , bei der Geburt oder später über die Muttermilch auf das Baby übertragen werden. Daher empfehlen Gynäkologen jeder Schwangeren einen HIV-Test durchführen zu lassen.
Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Nur dann, wenn du deinen Test anonym durchführen willst, kann eine geringe Kostenpauschale anfallen.
Ausführliche Informationen zu den eben kurz angerissenen Laboruntersuchungen erhältst du bei Klick auf die entsprechenden Felder im Folgenden.
Freiwillige bzw. bedarfsbedingte Zusatzuntersuchungen
Die Kosten der eben aufgeführten Laboruntersuchungen werden von der Krankenkasse bezahlt. Hier nun noch die wichtigsten Zusatzuntersuchungen, die gegen Eigenleistung durchgeführt werden.
Erkrankungen und genetische Veränderungen
Ist mein Baby gesund? Ob dein Baby gesund zur Welt kommt, wirst du erst nach der Entbindung wissen. Nicht alle Krankheiten können bereits im Mutterleib nachgewiesen werden und auch während der Geburt kann es zu Komplikationen kommen.
Möchtest du jedoch bereits vorab wissen, ob die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung vorliegt, kannst du folgende Tests durchführen lassen.
Das Ersttrimester-Screening
Das Ersttrimester-Screening ist auch bekannt als Nackenfaltenmessung. Dabei wird dein Gynäkologe zwischen den 12. Und 14. Schwangerschaftswoche die Nackentransparenz deines Babys überprüfen. In Verbindung mit einer Hormonuntersuchung lässt sich so feststellen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 ist.
Die Kosten für diese Untersuchung trägst du selbst.
Der Harmony-Test
Wird bei der Nackenfaltenuntersuchung festgestellt, dass mit großer Wahrscheinlichkeit eine Trisomie 21 vorliegt, hast du im Anschluss die Möglichkeit, eine weitere Blutuntersuchung zu veranlassen. Mit dem sog. Harmony Test kann eine Trisomie 21 mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nachgewiesen werden.
Da die Kosten für den Harmony Test sehr hoch sind (ca. 300 Euro), wird werdenden Eltern, denen es sehr wichtig ist, frühzeitig von einer möglichen Behinderung zu erfahren, direkt der Harmony Test empfohlen. Durchgeführt wird dieser bereits in der 11. Schwangerschaftswoche.
Und für alle, die neugierig sind. Über diesen Test erfährst du bereits in der 14. Schwangerschaftswoche das Geschlecht deines Babys.
Organscreening
In der 20.-22. Woche kannst du eine Feindiagnostik (Organscreening) veranlassen. Mit speziellen Ultraschallgeräten kannst du so noch einmal einen guten Blick auf dein Baby und seine Organe werfen. Kurze Zeit später wirst du dein Ungeborenes auf Ultraschallbildern nicht mehr komplett sehen. Neben den Organen wird das Wachstum des Kindes und dessen Entwicklung überprüft. Je nach Frauenarzt musst du hier jedoch mit einer Zuzahlung rechnen.
Untersuchungen bei Auffälligkeiten
Bei Auffälligkeiten während der bisherigen Untersuchungen, kann dein Frauenarzt zusätzliche Tests veranlassen.
Die Amniozentese
Bei auffälligen Befunden während der Ultraschalluntersuchungen, bei Vorbelastungen in der Familie oder bei Schwangerschaften ab 35 Jahren wird manchmal eine Fruchtwasserpunktion durchgeführt. Da mit dieser Untersuchung jedoch auch das Risiko von Infektionen oder einem vorzeitigen Blasensprung verbunden sind, sollte hier gut abgewogen werden.
Die Chorionzottenbiopsie
Aus ähnlichen Gründen, die eine Amniozentese notwendig werden lassen, wird gelegentlich eine Chorionzottenbiopsie durchgeführt. Dazu wird Gewebe aus dem Mutterkuchen entnommen, um Veränderungen an der Chromosomenzahl erkennen zu können. Mit dieser Untersuchung ist das erhöhte Risiko einer Fehlgeburt verbunden.
Toxoplasmose
Zu Beginn der Schwangerschaft wird dir dein Frauenarzt einen Toxoplasmose-Test gegen eine geringe Eigenleistung anbieten. Dieser Bluttest ist vor allem dann zu empfehlen, wenn du nicht weißt, ob du bereits einmal mit Toxoplasmose infiziert warst. Übertragen wird Toxoplasmose über Katzenkot, verunreinigte Erde und rohes/halbgares Fleisch. Bei einer Infektion während der Schwangerschaft steigt das Risiko einer Fehlgeburt oder einer späteren Behinderung
B-Streptokokken
Besonders dann, wenn du vorhast, in einem Geburtshaus zu entbinden, ist ein Abstrich, der überprüft, ob eine Infektion mit B-Streptokokken vorliegt, ein Muss. Sollte dem so sein, muss während der Geburt mit Antibiotikum behandelt werden. Dies wiederum kann ein Ausschlusskriterium für eine Entbindung im Geburtshaus sein.
Oraler Glukosetoleranztest
Standardgemäß wird in der 24.-27. SSW ein oraler Glukosetoleranztest durchgeführt. Dabei wird überprüft, ob eine Schwangerschaftsdiabetes vorliegt.
Kardiotokogramm (CTG)
Ab der 34. SSW wird dein Frauenarzt mittels eines CTG die Herztöne des Babys überprüfen.